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11.09.2023|

Brauchen wir noch Fotoshootings oder übernimmt die künstliche Intelligenz?

 

Mit dem Einzug der generativen KI in den kreativen Alltag ist eine komplett neue Kategorie von Bildmaterial verfügbar. Was heisst das aber für die Unternehmenskommunikation? Und welche Daseinsberechtigung haben die ursprünglichen Quellen von Fotos, also professionelle Fotograf: innen, Stockagenturen oder das eigene Smartphone? Hier eine Übersicht.

Im letzten Jahr habe ich in einer Sichtweise geschrieben, dass Bilder ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskommunikation sind. Dabei schrieb ich auch über die Authentizität von Bildern und inwiefern Photoshop und andere Bearbeitungstechniken diese beeinflussen. Keine Sekunde hätte ich damals gedacht, dass innert weniger Monate mit der generativen künstlichen Intelligenz eine gänzlich neue Sorte von Bildern verfügbar sein wird. Tatsächlich müsste ich inzwischen ja nicht einmal mehr diese Zeilen selbst schreiben – aber ich kann versichern, dass ich immer noch gerne selbst in die Tasten haue.

Das beste Bild passt zur erzählten Geschichte

Mit den neuen Möglichkeiten stellt sich nun umso mehr die Frage: Welche Bilder soll ich verwenden? Lohnt es sich überhaupt noch, Fotograf:innen zu beauftragen, soll ich mit meinem Smartphone die Fotos selbst schiessen oder mich gleich komplett an die künstliche Intelligenz wenden? Diese Fragen sind berechtigt, allerdings kann es darauf nur eine, zugegebenermassen äusserst langweilige, Antwort geben. Nämlich: Es kommt darauf an…

Die eigentliche Frage, die sich Unternehmen stellen müssen, ist: Welche Geschichte soll mit dem Bild erzählt werden? Je nach Hauptbotschaft bieten die verschiedenen Bildsorten nämlich unterschiedliche Vor- und Nachteile. Wer direkt zur tabellarischen Übersicht möchte, scrollt ganz nach unten.

1. Der Klassiker – Auftrag an die professionelle Fotografin

Fotos aus einem professionellen Shooting bieten eine massgeschneiderte visuelle Darstellung, die genau auf die Bedürfnisse und Werte des Unternehmens ausgerichtet ist. Zudem kann ein guter Fotograf mit seiner Erfahrung und Kreativität die gewünschte Botschaft visuell darstellen und eine einheitliche Ästhetik gewährleisten. Die Qualität ist dabei meist am höchsten. Der grösste Nachteil sind hier die Kosten. Ein individueller Auftrag kann je nach Anzahl Personen und benötigtem Equipment schnell einige Tausend Franken kosten.

So sieht in den Augen der künstlichen Intelligenz ein professionelles Foto-Shooting aus. (Bild generiert mit Midjourney)


2. Die günstige Variante – Stockmaterial

Stockbilder sind eine gute Variante, wenn es schnell gehen muss und dennoch professionelle Fotos gewünscht sind. Auf den Plattformen gibt es hunderttausende Bilder von Fotografen, die zu allen möglichen Situationen geschossen wurden. Die Nachteile liegen auf der Hand: Die Bilder sind für ein breites Publikum erstellt worden und passen daher nie ganz genau zu Ihrer Situation. Zudem werden sie möglicherweise auch von anderen Unternehmen verwendet. Und: bei Darstellungen mit Menschen ist oft leicht erkennbar, dass es sich um Stockbilder handelt.

Enthusiasmus im Business-Meeting: Ein typisches Stockfoto (Foto von krakenimages auf Unsplash)


3. Die einfach Option – Das Smartphone-Foto

Jeder hat ein Smartphone in der Tasche, also warum nicht einfach selbst ein Foto aufnehmen? Selbstgemachte Bilder können Spontaneität und Persönlichkeit vermitteln. Gerade auf Social Media werden solche Bilder oft für ihren natürlichen und ungezwungenen Look geschätzt. Sie sind authentischer und können beispielsweise bei Berichten zu Firmenanlässen Nahbarkeit ausstrahlen. Allerdings sollte man hier besonderen Wert auf die Qualität legen, sowohl technisch (kein Zoom, ausreichend Licht etc.) als auch in der Bildkomposition. Unüberlegte und möglicherweise verwackelte Schnappschüsse wirken schnell unprofessionell.

4. Die moderne Variante KI generierte Bilder

Die Tools, um künstliche Bilder komplett neu zu erzeugen, werden immer leistungsfähiger. Mit den Tools Midjourney oder DALL-E von ChatGPT-Mutterfirma OpenAI können Sie sich mittels Textbefehlen Ihr eigenes Bild massgeschneidert anfertigen lassen. Wenn Sie klare und detailreiche Befehle geben, können Sie hier professionelle Bilder sehr gut nachahmen. Inzwischen funktioniert nicht nur Text-zu-Bild, sondern Sie können auch eigene Bilder als Befehl einsetzen, um sie zu erweitern oder ins gewünschte Bild zu integrieren. Dennoch sollten Sie KI-Bilder nur ganz bewusst einsetzen und entsprechend deklarieren. Denn solche Bilder sind alles andere als authentisch und können gemischte Reaktionen bei Ihrer Zielgruppe auslösen. Sinnvoll ist die Verwendung von KI vor allem dann, wenn abstrakte oder künstlerische Inhalte gezeigt werden sollen. Schliesslich ist der Fantasie bei der KI keine Grenzen gesetzt. Illustrative Bilder oder solche, die nicht von spezifischen Details abhängig sind, können gut und vor allem ohne viel Aufwand erstellt werden. Für Darstellungen, bei denen ein hoher Detaillierungsgrad und eine hohe Qualität notwendig sind, sollte man vorsichtig vorgehen.

Der Autor in den Augen der KI: Links das Original-Porträt, in der Mitte als Marvel-Held und rechts als Disney-Charakter. (Bilder mit Midjourney generiert, auf Basis des Porträts links).


Aufpassen
auf den Bias

Wie in vielen Bereichen besteht auch bei der Verwendung von Bildmaterial die Gefahr eines Bias, also einer unbeabsichtigten Voreingenommenheit. Bei Fotoshootings, egal ob professionell oder mit dem Smartphone, kann man bewusst gegensteuern. Wie inszeniert man Vorgesetzte, in welcher Situation zeigt man Frauen und Männer, welche Rollenbilder stehen im Vordergrund.

Schwieriger ist es bei der künstlichen Intelligenz. Die generierten Bilder basieren auf Trainingsdaten, die nicht öffentlich bekannt sind. Es ist also durchaus möglich, dass die KI mit wenig diversen Daten trainiert wurde. Da aber am Ende die KI das produziert, was eingegeben wird, kann man dem Bias ebenfalls aktiv vorbeugen.

Bei Stockbildern sollte diese Problematik vor allem bei der Recherche beachtet werden, sonst läuft man Gefahr, nur stereotypische Bilder zu verwenden. In gewissen Kategorien wie Wissenschaft oder Technologie sind beispielsweise Frauen stark unterrepräsentiert. Aus diesem Grund hat die Ringier-Initiative «Equal Voice» auch eine «EqualPYXX»-Fotochallenge» lanciert. Fotografinnen und Fotografen können professionelle Bilder einreichen, die mit den traditionellen Rollenbildern brechen. Die Gewinner:innen erhalten einen Vertrag mit der Agentur Keystone-SDA.

Fazit Bildauswahl

Die Vor- und Nachteile der verschiedenen Bildsorten können also folgendermassen zusammengefasst werden:

Übersicht

Vorteile

Nachteile

Professionelles
Shooting

·         Hohe Qualität und massgeschneiderte Darstellung

·         Authentizität und Originalität

·         Kostenintensiv

·         Zeitaufwändige Planung und Umsetzung

Stockbilder

·         Kostengünstig und zeitsparend

·         Grosse Auswahl an professionellen Bildern

·         Mangelnde Einzigartigkeit

·         Möglicherweise nicht zum eigenen Brand passend

Smartphone

·         Spontaneität und Persönlichkeit

·         Geringere Kosten als professionelle Shootings.

·         Schwankende Bildqualität

·         Fotografisches Geschick erforderlich

Künstliche
Intelligenz

·         Anpassbarkeit an eigene Bedürfnisse

·         Innovativ und modern

·         Mangelnde Authentizität

·         Mögliche ethische Bedenken im Zusammenhang mit KI

Über den Autor

Livio Fürer, fotografiert gerne und hat Spass, neue Technologien zu entdecken. Dennoch denkt er nicht daran, nur noch künstliche Bilder zu erstellen.