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30.04.2024|

Der Kulturschock: kollaborative Tools am Arbeitsplatz

Die Einführung von kollaborativen Tools in Organisationen ist weit mehr als eine Software-Implementierung. Sie bringt einen bedeutenden kulturellen Wandel mit sich. Darauf muss man als Unternehmen vorbereitet sein, sonst wird der Launch zum Misserfolg.

Machen wir ein Gedankenexperiment: Ihr Arbeitgeber hat vor einigen Tagen auf Microsoft 365 gewechselt und MS Teams lanciert. Der technische Rollout lief ohne Probleme, alles tiptop. Nun sitzen Sie da, und brauchen von Ihrer Chefin, die auf Geschäftsreise ist, ein dringendes Update. Schicken Sie ein E-Mail? Chatten Sie sie auf MS Teams an? Und wenn letzteres, was tun Sie, wenn Sie nicht antwortet, da sie die Push-Nachrichten gar nicht sieht? Im schlechtesten Fall verschwenden Sie mit Ihrem Gedankenkarussell und Abwägungen eine Stunde für eine 3-zeilige Nachricht – und wünschen sich die guten alten E-Mail-Zeiten zurück.

Schade für alle, für Sie als Mitarbeiter:in und für Ihren Arbeitgeber, denn eigentlich sollten die neuen Möglichkeiten nicht nur technisch, sondern auch kulturell Vieles erleichtern. Doch fangen wir von vorne an.

Im Herzen wie die Ananas auf der Pizza

Die Umstellung von traditionellen Arbeitspraktiken auf eine moderne, kollaborative und Cloud-basierte Umgebung wie Microsoft 365, Google Workspace oder Slack ist kaum noch aus der Arbeitswelt wegzudenken. Denn sie bietet im Rahmen von flexiblen Arbeitsmodellen eine Vielzahl an Vorteilen. Doch was bei aller IT-Begeisterung oft vergessen geht, ist, dass die Umstellung immer ein Umdenken im Unternehmen auf verschiedenen Ebenen erfordert. Mitarbeiter:innen müssen sich an neue Interfaces, aber vor allem auch an neue Abläufe und Arten der Zusammenarbeit gewöhnen. Plötzlich können sie mit ihrer Chefin, die sie bis eben gesiezt haben, chatten. Und hier ist es wie mit der Ananas auf der Pizza: gewisse lieben es von Anfang an und probieren aus, andere muss man an das neue (Geschmacks-) Erlebnis heranführen, wieder andere freunden sich nie damit an. Alle Typen – von Early Adaptors bis hin zu Traditionalisten – gehören zu einem Kulturwandel dazu und müssen auf die Reise mitgenommen werden.

Wissen,wo man steht

Dafür muss man als allererstes wissen, wie die Kultur im Unternehmen vor dem Rollout war. Nur so kennt man den Startpunkt und kann einschätzen, wie weit man sich mit dem Launch davon wegbewegt. Je nach Ausgangskultur sind andere Aspekte des neuen technischen Setups relevant, die so gar nichts mit IT zu tun haben. Dazu zwei Beispiele, die den Kern dieser Aussage verdeutlichen:

Beispiel 1: Mit der neuen Software können alle Mitarbeiter:innen von allen Geräten, auch privaten, auf ihre Arbeitsdateien zugreifen. Das ermöglicht flexibles Arbeiten von überall her. Aber: Was heisst das in Bezug auf Remote Work? Soll diese Arbeitsweise gestärkt werden, gab es die Möglichkeit schon vorher und wird sie von allen Vorgesetzten akzeptiert?

Beispiel 2: Durch die neue Software lassen sich Projektteams abbilden, in denen Dokumente, Notizen und Unterhaltungen zu einem Projekt an einem Ort abrufbar sind. So können die Mitarbeitenden hierarchieunabhängig Team- und Organisationsübergreifend zusammenarbeiten. Aber: Was heisst das in Bezug auf Verantwortlichkeiten? Dürfen und sollen alle im Projekt ihre Meinung im virtuellen Raum öffentlich kundtun – unabhängig der Position über das Projekt hinaus – oder bleibt es bei bilateralen E-Mails? Wie war der Austausch vor dem Rollout?

Die Kommunikation formt die Kultur

In der Rolle der Kommunikationsexpert:innen müssen wir diese kulturellen Feinheiten kennen, gegebenenfalls andere Fachbereiche wie HR ins Boot holen und die Kommunikation entsprechend anpassen. Wir schlüpfen dabei selbst in die Rolle der Kulturgestalter:innen. Denn die Sprache, Medien, Formate und Themen, mit denen wir zum Rollout informieren und Wissen austauschen, prägt die Wahrnehmung zur neuen Zusammenarbeit. Wir setzen Massstäbe und sollten uns deshalb von Titeln wie “unser neuer IT-Rollout» verabschieden. Denn es geht um mehr – “so arbeiten wir in Zukunft zusammen».

Über die Autorin

Daria Tamagni macht sich für das kulturelle Bewusstsein bei der Einführung neuer kollaborativer Tools stark. Denn die Ananaspizza schmeckt nicht allen, und das muss man wissen, bevor man sie auftischt.