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28.11.2023 |

News zu ignorieren, ist keine Lösung

Lesen wir Nachrichten, können uns diese helfen, eine informierte Meinung zu bilden. Lesen wir sie nicht, drohen Desinformation und Filterblasen. Dennoch verzichten nicht wenige Menschen bewusst auf Nachrichten. Wie fühlt sich dies an? Ein Selbstversuch und Plädoyer für den kritischen Informationskonsum.

Kürzlich bin ich wieder mal über den Reuters Institute Digital News Report gestolpert. Die Studie untersucht regelmässig die Nachrichtennutzung in verschiedenen Ländern. In der Schweiz hat 2023 das Interesse an News weiter abgenommen: Ein Drittel der Bevölkerung vermeidet bewusst Nachrichten. Hat man es beruflich mit Öffentlichkeitsarbeit zu tun, lassen diese Zahlen aufhorchen. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Zielgruppen für unsere Arbeit fällt dadurch weg.

Keine Nachrichten lesen?

Unabhängig von dieser beruflichen Betrachtungsweise habe ich mich gefragt, ob das überhaupt geht. Kann ich im Alltag Nachrichten völlig ausweichen bzw. kann ich bewusst auf sie verzichten? Ein Selbstversuch soll es zeigen. Der Bericht dazu fällt kurz aus, schon der erste Anlauf scheitert kläglich. Newsletter lösche ich zwar sofort und auf dem Computer bleibe ich möglichen Nachrichtenquellen fern. Der Versuchung, auf dem Smartphone in der ein oder anderen App kurz mal die News zu checken, kann ich nicht widerstehen. Der zweite Anlauf zum Nachrichtenverzicht, für den ich die Apps lösche, überdauert auch nur einen Tag.

Verzicht ist keine Option

Das Fazit dieses Experimentes könnte lauten: Ich bin ein News-Junkie. Im ersten Moment erscheint mir diese Abhängigkeit ein wenig erschreckend. Bei genauerer Betrachtung stelle ich fest, dass ich Nachrichten auf zwei Arten aufnehme. Die erste bezeichne ich als „Konsum“. Schnell mal über die Schlagzeilen huschen und das wars. Die zweite Art der Nachrichtenverarbeitung läuft unter die Kategorie „Interesse“. Für Themen, die ad hoc oder langfristig meine Aufmerksamkeit haben, nehme ich mir Zeit. Gut investierte Zeit wie ich finde. Die Informationen helfen mir, meine Meinung zu bilden und bessere Entscheidungen zu treffen. Darum: Ich will nicht auf Nachrichten verzichten.

Informiert euch!

Meinungsbildung, Entscheidungen … Bewusstsein, kritisches Denken, Teilhabe … Es gibt noch mehr Gründe, warum man Nachrichten lesen sollte. Es gibt ohne Zweifel Argumente für den Verzicht: Informationsüberflutung, zu viel negative Berichterstattung, Zeit, der Schutz vor irreführenden Inhalten und so weiter. Ich finde sie nicht überzeugend. Wer bestimmte Informationen ignoriert, schränkt seine Denkweise ein. Wer sich nicht informiert, verschliesst sich unterschiedlichen Perspektiven und damit einem konstruktiven Dialog.

Darum bin ich der Meinung, man sollte sich Nachrichten nicht kategorisch verschliessen. Man muss auch nicht alles lesen, um informiert zu sein. Ich habe persönliche Präferenzen, nicht wenige Themen lasse ich auf der Seite. Indem ich mir regelmässig einen Überblick verschaffe, stosse ich jedoch immer wieder auf zusätzliche Informationen, die mein Interesse wecken. So erfahre ich Neues und überdenke meine Einstellung zu verschiedensten Themen. Für ein konstruktives Miteinander in der Gesellschaft und in einer Demokratie halte ich dies für unabdingbar.

Seid kritisch

Neben der Offenheit für Themen abseits meiner Bubble probiere ich beim Lesen von Nachrichten eine weitere Grundregel zu beachten: Glaube nicht alles, was du liest. Medien und Individuen haben eigene Perspektiven. Zwar ist es bequemer, Meinungen zu lesen, die der eigenen nahestehen. In Zeiten von Fake News und bewusster Desinformation sollte man Gelesenes immer mit einem kritischen Auge betrachten. Dazu gehört auch, mal andere als die gewohnten Quellen zu konsultieren.

Über den Autor

Patrick Preuss interessiert sich für Meinungsbildungsprozesse und demokratische Teilhabe. Er liest Nachrichten, um über den eigenen Tellerrand hinauszublicken.