
02.10.2025|
Im Kopf der Designer:innen
Wie aus unterschiedlichen Inputs ein Text entsteht, wissen wir aus eigener Erfahrung. Wie aber gehen Designer:innen vor? Was brauchen sie von uns Schreibenden, damit sie gestalten können? Das habe ich zwei Kolleginnen und einen Kollegen gefragt, mit denen open up regelmässig zusammenarbeitet.
Als Redaktorin fasziniert es mich, was Designer:innen aus Textbausteinen machen. Häufig geben wir lediglich Word-Dokumente weiter – je nach Thema und Kundin vielleicht mit gestalterischen Ideen oder Hinweisen – und lassen uns dann von der Umsetzung der Kolleg:innen überraschen.
open up hat keine eigene Grafikabteilung und arbeitet für Content-Projekte mit anderen Agenturen und Freelancern aus unserem Netzwerk zusammen. Die Projekte umfassen klassische Printpublikationen wie Magazine und Jubiläumsschriften sowie Inhalte für Websites, Newsletters und Social Media.
In diesem Beitrag möchte ich ergründen, was auf «der anderen Seite» passiert, wenn die Inputs vorliegen. Welche Gedanken machen sich die Grafiker:innen? Welche Herausforderungen bringt ihnen die Zusammenarbeit mit uns Schreibenden? Und wie können wir sie bestmöglich unterstützen?
Die Antworten kommen von:
Wie gehst du vor, wenn du die Texte für beispielsweise ein Magazin vorliegen hast und diese layouten musst?
Rachel: Wenn es sich um ein bestehendes Magazin handelt, das bereits ein visuelles Konzept und ein Layoutsystem hat, erhalte ich vorab den Seitenspiegel. Der gibt mir eine Übersicht über die geplante Heftstruktur und zeigt mir, wie viel Raum für welchen Inhalt vorgesehen ist. Ich orientiere mich dabei an bestehenden Gestaltungsrichtlinien wie Typografie, Farben, Titelhierarchien, grafischen Elementen und der Bildsprache. Zunächst definiere ich, wo Text und Bildmaterial ihren Platz finden und wie sich der Raum auf der Doppelseite gliedert. Wichtig ist mir, dass Text und Bild in einem gestalterischen Gesamtkonzept miteinander wirken – die Doppelseite ist für mich immer eine Einheit. Jede Doppelseite/Seite bringt neue gestalterische Entscheidungen. Besonders reizvoll sind Seiten, die bewusst mit dem Raster brechen dürfen, ohne den gestalterischen Rahmen zu verlieren.
Nico: Zuerst lese und strukturiere ich den Text. Welche Textbausteine sind vorhanden? Titel, Leads, Quotes, Boxen, Hauptaussagen/Nebenaussagen. Welche Textinhalte lassen sich verbildlichen mit Fotografie oder Illustration? Worauf kann man einen Fokus legen? Danach lasse ich den gesamten Text in ein sehr grobes Layout mit der vorgegebenen Seitenzahl einfliessen. So bekomme ich ein Gefühl dafür, wie viel Gestaltungsfreiraum ich überhaupt zur Verfügung habe. Solche Erstanalysen helfen mir, bereits früh im Prozess visuelle Ideen zu entwickeln und danach konkrete Layouts zu gestalten.
Angélique: Ich lese den Test einmal und schaue, ob mir besondere Ideen zur Hauptaussage oder zu einzelnen Aspekten des Textes in den Sinn kommen. Dabei steigen meistens Bilder vor meinem inneren Auge auf. Wenn ich merke, dass ich abschweife, lese ich den Text nochmals. Wenn es unklare Begrifflichkeiten gibt, versuche ich diese zu verstehen. Und ich suche jeweils nach ungewöhnlichen, aber verständlichen Gleichungen zur visuellen Veranschaulichung des gegebenenfalls komplexen Themas.
Welche drei Elemente sind dir in der Gestaltung besonders wichtig und weshalb?
Rachel: Typografie (transportiert Botschaften und wirkt identitätsstiftend), Weissraum (als bewusst eingesetztes Gestaltungsmittel schafft er Ruhe, Übersicht und Lesefluss), Bildkomposition (Bildauswahl und -platzierung geben dem Layout Spannung und Atmosphäre).
«Beide Seiten sollten nicht zu sakrosankt auf ihre Kreationen bestehen und den Konsens suchen.»
Angélique El Morabit
Nico: Typografie (macht die Gestaltung lebendig und ist ein ehrliches Gestaltungselement), Dynamik (ich mag lebendiges, dynamisches Design – das kann sich sehr unterschiedlich äussern), Entscheidungen (bewusste Entscheidungen in der Gestaltung sind mir wichtig).
Angélique: Mir ist der Dreiklang aus Design, gepflegter Typografie und Leserführung/Lesbarkeit am wichtigsten. Und dann last but not least: überraschende Elemente (gestalterischer Natur).
Was sind die Herausforderungen in der Zusammenarbeit mit Redaktor:innen?
Rachel: Mehr Text als Platz, Mangel an Weissraumtoleranz, späte Textlieferungen oder häufige Änderungen (selbst kleine Textänderungen können aufwändige gestalterische Nacharbeit mit sich bringen), Unkenntnis über Gestaltungssysteme, unklare Briefings mit vagen Anweisungen oder unvollständigen Inhalten.
Nico: Aus Sicht eines Designers finde ich es herausfordernd, zu viele Inhalte verarbeiten zu müssen. Das schränkt (gefühlt) meine Kreativität ein. Textänderungen in letzter Minute können bereits getroffene Designentscheidungen wieder über den Haufen werfen, weil sie Layoutänderungen mit sich ziehen können.
«In bestimmten Kontexten kann ein Regelbruch Sinn machen.»
Rachel Pfaffen
Angélique: Ich würde sagen, je besser (ausgebildet?) der Redaktor oder die Redaktorin ist, desto weniger Herausforderungen hat man als Gestalter:in zu meistern. 🙂 Oder je besser die Chemie zwischen den beiden, desto zügiger und bessesr kommt man zum Ergebnis. Es muss ein Verständnis für die Arbeit des anderen vorliegen. Elementar ist zudem ein gemeinsames Briefing/Absprache. Sobald man sich auf den Kern der Aussage verständigt hat, sollte man als Team zu einem guten Ergebnis kommen. Beide Seiten sollten nicht zu sakrosant auf ihre Kreationen bestehen und den Konsens suchen: Der Redaktor sollte also, wenn es der Text erlaubt, auch mal 50 Zeichen kürzen können. Bei Gestalter:innen hingegen gilt: Kill your Darlings – manchmal verrennen wir uns in Entwürfen und müssen uns eingesetehen, dass ausser uns niemand die Idee versteht.
Was brauchst du von uns, damit du deine Arbeit möglichst zielführend erledigen kannst?
Rachel: Ein klares, vollständiges Briefing, rechtzeitige und strukturierte Anlieferung aller Texte, Bilder, Bildrechte etc. und eine eindeutige Ablage der Inhalte. Ausserdem gestalterische Freiheit (keine kleinteiligen Anweisungen, sondern Vertrauen in die visuelle Kompetenz) und ein definitiver Textstand, bevor gelayoutet wird.
Nico: Frühe Einbindung ins Konzept: Was ist die Zielsetzung von Text und finalem Layout? Zudem klar strukturierte, möglichst finale Texte.
Angélique: Eine gute Einführung ins Thema und die Kernaussage. Zudem eine ungefähre Aufwand-/Budgetangabe und einen Zeitrahmen.
«Ich bin kein Fan von reiner Dekoration und zu viel Inszenierung.»
Nico Kühne
Was sind No-Gos beim Gestalten?
Rachel: Eine schlechte Bildqualität, zu viele verschiedene Schriftarten (das erzeugt visuelles Chaos und wirkt unruhig), eine fehlende visuelle Struktur und Führung, veraltete Cliparts oder unbeabsichtigte Stilbrüche (wirken billig und unreflektiert). Ausnahmen bestätigen die Regel: In bestimmten Kontexten – z. B. einem Punk-Fanzine oder einem bewusst disruptiven Layout – kann ein Regelbruch Sinn machen. Aber das braucht gestalterisches Können und ein klares Konzept.
Nico: Ich bin kein Fan von reiner Dekoration und zu viel Inszenierung. Ich mag es, wenn man in einem Design eine klare gestalterische Idee, eine Meinung und eine gewisse Raffinesse herauslesen kann.
Angélique: Design des Designs wegen (ein Design, das den Inhalt nicht adäquat transportiert, also Dekogestaltung), Ungleichgewicht von Inhalt und Weissraum, minderwertiges Bildmaterial oder generisches Bildmaterial ohne Aussage, Stilmix und schlampige Typografie.
Photo Credits: Titelbild ChatGPT; Porträtbilder zVg