09.08.2022 |
Bilder und ihre Geschichten
Egal, ob spektakuläre Wildlife-Fotografien auf Instagram oder kreative Porträts auf einer Business-Webseite: Bilder faszinieren. Und sie sind nicht mehr wegzudenken, weder auf Social Media noch in der Unternehmenskommunikation. Dennoch wird ihre Aussagekraft nach wie vor unterschätzt.
Folgt man auf Instagram professionellen Fotografinnen und Fotografen, bleibt einem nicht selten der Mund offenstehen ob der Bildgewalt und Ausdrucksstärke der publizierten Bilder. Viele dieser Fotografinnen geben dabei einen Einblick in ihr Schaffen und zeigen die Entstehung ihrer Werke auch hinter der Kamera. Da wird schnell klar: Die tollen Aufnahmen sind keine Schnappschüsse, die mal eben mit dem Smartphone aus der Hüfte geschossen wurden. Der Aufwand ist teilweise enorm. Ein süsses Bild einer Luchsfamilie im kanadischen Schnee bedeutet manchmal eine mehrtägige Expedition mit Ski und Zelt bei tiefsten Minustemperaturen.
Photoshop und seine Vorgänger
Warum aber soll ein solcher Aufwand für Bilder betrieben werden, wenn doch mit modernster Bildbearbeitung fast jedes Motiv künstlich dargestellt und beispielsweise an den gewünschten Ort verschoben werden kann? Ganz einfach: Bilder sind mehr als die banale Darstellung von Elementen. Bilder erzählen eine Geschichte. Im besten Fall erzählen sie die Geschichte, die der Fotograf oder die Auftraggeberin im Sinn hatte. Spätestens im Auge der Betrachtenden löst das Bild eine Interpretation aus – nicht umsonst hält sich das Sprichwort «Bilder sagen mehr als tausend Worte» hartnäckig.
Die hohe Erzählkraft von Fotografien und das Vertrauen in diese waren bereits im 19. Jahrhundert bekannt. William H. Mumler war ein Fotograf, der mit der sogenannten «Spirit Photography» Porträtbilder anbot, auf denen verstorbene Personen zu sehen waren – ein Fake noch ganz ohne Smartphone. Zu seinen Kunden zählte unter anderem auch die Witwe des amerikanischen Präsidenten Abraham Lincoln. Dank geschickten Doppelbelichtungen zauberte Mumler die Geister der Toten auf die Bilder, was ihm zahlreiche spiritistische Kundinnen und Kunden einbrachte. Da die Fotografie scheinbar eine unveränderbare Wirklichkeit darstellte, waren diese Fotos beliebte Belege für die Anwesenheit der Verstorbenen. Mumler musste sich für sein Betrugsmodell 1869 vor Gericht verantworten, wurde jedoch freigesprochen.
Die Story im Fokus
Auch wenn Fakes zu Täuschungszwecken vermehrt vorkommen, ist nicht jedes professionell bearbeitete Bild ein Beschiss. Im Gegenteil: Die Bildbearbeitung ist lediglich ein unterstützendes Element zur Darstellung der Geschichte. Kennen Sie das berühmte Bild des Napalm-Mädchens Kim Phúc aus dem Vietnam-Krieg? Das 1972 entstandene Foto zeigt im Original einen grösseren Ausschnitt dieser Szene der fliehenden Kinder. Am Strassenrand sind mehrere Reporter und Kriegsfotografen zu sehen. Das Bild wurde schliesslich aber so zugeschnitten, dass das vor Schmerz schreiende und Napalm-verbrannte Mädchen im Fokus steht. Es erzählt die Geschichte des Schreckens des Krieges und vermittelt dem Betrachter das unmittelbare Leid der Kinder im Krieg.
Auch die Szene mit den Reportern hätte eine Geschichte erzählen können – einfach eine andere. Es hätte in diesem Fall aber höchstwahrscheinlich vom Schmerz der Kinder abgelenkt, diesen vielleicht gar relativiert. Auch zugeschnitten bleibt das Foto echt und zeigt die Situation so, wie sie stattgefunden hat – es verschiebt lediglich den Fokus.
Werte und Botschaften in der Bildwelt
Was ich damit sagen will: Jedes Bild transportiert eine Botschaft. Egal, ob auf Reportage, in der Porträtfotografie oder in der Unternehmenskommunikation. Gerade letzteres wird nach wie vor unterschätzt. Alle Bilder, die ein Unternehmen über seine Kanäle publiziert, funktionieren als Botschafter des Unternehmens und widerspiegeln die eigenen Werte. Schreibt sich ein Betrieb Diversity auf die Fahne und zeigt auf einem LinkedIn-Post ein Teamfoto von zehn Männern, ist die Geschichte schnell erzählt. Überall, sowohl bei Porträts der Mitarbeitenden als auch in der Auswahl der Bildwelt für Webseite oder Businesspräsentationen, die Vermittlung der eigenen Botschaften sollte in der Konzeption im Zentrum stehen. Das ist mit Aufwand verbunden und lässt sich oft nicht mit Stock-Bildern lösen. Die sichtbare Individualität und erhöhte Aussagekraft sind es aber Wert.
Denken Sie also immer an die Story eines Bildes. Denn erzählt wird sie sowieso.